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Jung und wohnungslos? Der Druck auf junge Menschen am Wohnungsmarkt steigt.
In Österreich sind über 20.000 Menschen obdach- oder wohnungslos. Ein Drittel davon ist jünger als 30 Jahre. Welchem Druck junge Menschen am Wohnungsmarkt ausgesetzt sind und warum Housing First ein effektives Mittel ist, um leistbares Wohnen für alle durchzusetzen, klärt dieser Beitrag. Auszug aus dem Elternhaus, berufliche Orientierung, der Weg in ein selbständiges Leben: Die Lebenssituation von Menschen zwischen 18 und 30 Jahren ist von neu gewonnenen Freiheiten, aufkommenden Herausforderungen und Verantwortung geprägt. All das zeigt sich beim Thema Wohnen besonders deutlich. Wachsen sogenannte „junge Erwachsene“ in prekären Lebensbedingungen auf und fehlt es an einem unterstützenden familiären Rückhalt, verringern sich die Chancen auf leistbares und gesichertes Wohnen dramatisch. Selbst wer Erfolg bei der Suche nach einem Vollzeitjob hat, merkt schnell: die Gehälter hinken den Anforderungen am Wohnungsmarkt hinterher. Jene, die in Teilzeit arbeiten oder in Ausbildung sind, haben so gut wie keine Chance. Zusätzliche Kosten für Kaution, Finanzierungsbeiträge, Möbel und einen Umzug sind kaum zu stemmen.
Was macht die Wohnungssuche so schwer?
In Wien gibt es einen vergleichsweise hohen Anteil an gemeinnützigem und kommunalem Wohnbau. Dort wären günstige Wohnungen zwar noch häufiger vorhanden – die unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen machen es jungen Menschen in prekären Lebenssituationen jedoch schwer. Viele werden aufgrund fehlender Meldezeiten ausgeschlossen oder scheitern vor hohen finanziellen und anderen Hürden. Auch das Wiener Wohn-Ticket für Jungwiener*innen ist dabei keine Ausnahme – wer sich dafür anmelden möchte, braucht eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung bei den Eltern von mindestens 10 Jahren. Jene, die keinen Zugang zum gemeinnützigen und kommunalen Wohnbau haben, sind auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen. Dieser hat seine eigenen Regeln und ist mit deutlich mehr Unsicherheiten verbunden. Die Mietpreise sind teurer, der Anteil an Befristungen ist höher und viele Privatwohnungen unterliegen nur teilweise dem Mietrechtsgesetz. Kurzum: Der heimische Wohnungsmarkt nimmt zu wenig Rücksicht auf die Lebenslagen junger Erwachsener. Wohnen ist jedoch ein fundamentales Menschenrecht und muss für alle Menschen in unserer Gesellschaft leistbar sein.
„Wohnungslosenhilfe darf nur letztes Auffangnetz sein.“
Elisabeth Hammer, neunerhaus Geschäftsführerin.
Aufgrund der hohen Inflation und einem bevorstehenden Rückgang der Neubauleistung werde der Druck auf junge Erwachsene steigen und sich prekäre Wohnsituationen weiter verschärfen, warnt neunerhaus Geschäftsführerin Elisabeth Hammer: „Der Mangel an leistbarem Wohnraum, insbesondere für junge Menschen, darf jedoch nicht dazu führen, dass die Wohnungslosenhilfe strukturell die Lücken der Wohn- und Sozialpolitik schließt. Die Wohnungslosenhilfe darf immer nur als letztes Auffangnetz gelten.“ Wenn junge Erwachsene ihren Wohnraum verlieren, benötigt es auch in der Wohnungslosenhilfe spezielle Angebote, um Unterstützung anzubieten, die an die Bedürfnisse junger Menschen angepasst ist. So bietet etwa das neunerhaus Billrothstraße für Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die obdachlos wurden, schnell und unbürokratisch Hilfe.
Was es braucht: Mehr leistbaren Wohnraum für Housing First
Mit dem Housing First Ansatz besitzt die Wohnungslosenhilfe bereits ein Instrument, das auch für junge wohnungslose Menschen das Potenzial hat, entstandene Wohnungslosigkeit rasch und effektiv zu beenden. „Die Herangehensweise ist denkbar einfach“, erklärt Elisabeth Hammer: „Wohnungslosigkeit wird durch eine Wohnung und mit einer passgenauen Unterstützung in bestimmten Lebensbereichen beendet.“ Was es daher brauche, sei ein breites Ausrollen des Konzepts: „Das bedeutet, mehr leistbaren Wohnraum für Housing First Angebote über die Wohnungspolitik zur Verfügung zu stellen und durch interdisziplinäre Teams junge Erwachsene in ein selbständiges Leben zu begleiten.“ Damit könnte jungen wohnungslosen Menschen ein einfacher Zugang zu flexiblen Wohnsettings und Unterstützungsangebote geschaffen werden. Die Zusammenarbeit mehrerer Berufsgruppen wäre gerade bei jungen Menschen sinnvoll, da so unterschiedlichen Problemlagen in dieser herausfordernden Zeit des Lebens gerecht werden kann.